Forschungen des Doktoranden Bohan Chen im Labor von Idse Heemskerk vom Department of Cell and Developmental Biology der University of Michigan Medical School und seinen Kollegen verbessern ein beliebtes Versuchsmodell und geben damit mehr Aufschluss über die inneren Vorgänge in einer kritischen Phase der Embryonalentwicklung. Wissenschaftler untersuchen die Entwicklung unter anderem, um zu verstehen, was bei der Bildung der Körperstrukturen schiefgehen kann. Das ultimative Ziel besteht darin, Geburtsfehler zu verhindern und die Ursachen für Fehlgeburten zu identifizieren.
Neue Erkenntnisse zur Embryonalentwicklung
Die Erforschung von Embryonen im Labor ist jedoch mit wichtigen ethischen und technischen Überlegungen verbunden. Um diese Bedenken auszuräumen, greifen viele Forscher auf einfache 2D-Strukturen zurück, die aus Stammzellen bestehen und als Gastruloide bezeichnet werden. Gastruloide werden in vitro (in einer Petrischale) gezüchtet oder kultiviert und modellieren einige der frühesten Momente der Entwicklung, ohne dass die Möglichkeit besteht, dass sie sich zu einem Menschen entwickeln. Gastruloide bilden in Experimenten Aspekte eines Prozesses nach, der als Gastrulation bezeichnet wird.
Während der Gastrulation entsteht aus einer sogenannten Primitivstreifen aus Zellen die drei embryonalen Schichten, aus denen letztlich der Körperbauplan entsteht: das Ektoderm (äußere Schicht), aus dem die Haut, das Nervensystem und andere äußere Strukturen entstehen; das Mesoderm (mittlere Schicht), aus dem das Herz, die Muskeln, die Knochen und andere innere Strukturen entstehen; und das Endoderm (innere Schicht), aus dem der Magen-Darm-Trakt, die Lunge, die Leber und andere Organe entstehen. Die In-vitro-Kultivierung von Gastruloiden konnte jedoch in der Regel nur bis zu zwei Tage aufrechterhalten werden, danach wurden die Zellen unorganisiert und entwickelten sich nicht weiter. „Wir haben mit verschiedenen Medien experimentiert und mehrere andere Verbesserungen am Modell vorgenommen“, so Heemskerk.
Erweitertes Modell soll mehr Fragen beantworten
Als die Forscher dann versuchten, die Zellen länger als zwei Tage zu kultivieren, funktionierte es tatsächlich und es passierten einige wirklich interessante Dinge. Zunächst stellte das Team fest, dass die Stammzellen des sich entwickelnden Mesoderms begannen, sich unter die ursprüngliche einzelne Zellschicht zu bewegen, und eine mehrschichtige Struktur zu bilden, genau wie in einem echten Embryo. „Dieser Prozess ist sehr schwer zu visualisieren; wir wissen nicht einmal, wie er bei Mäusen abläuft“, sagte Heemskerk. Dank ihres erweiterten Modells konnten sie jedoch erkennen, dass die Mesoderm-Stammzellen vom Rand der Zellgruppe zum Zentrum wandern. Das bedeutet, dass es etwas gibt – sie wissen noch nicht, was –, das ihnen sagt, in welche Richtung sie sich bewegen sollen.
Die Experten haben jetzt eine Konstellation, in der sie feststellen können, was ihre Bewegung steuert. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um herauszufinden, was in bestimmten Fällen schief läuft, beispielsweise bei der Entstehung eines angeborenen Herzfehlers. Das Team stellte außerdem fest, dass die Mesodermzellen in einem Gastruloid in mehreren verschiedenen Subtypen vorkommen, die unterschiedliche Gene exprimieren, was sie mithilfe von Fluoreszenz sichtbar machten.
Indem man sich ansieht, welches Gen die Zelle exprimiert, kann man gewissermaßen erkennen, zu welchem Organ sie sich letztendlich entwickeln wird. Dies wirft laut Heemskerk die Frage auf, ob Zellen bereits vor der Migration wissen, was ihr Schicksal ist, oder ob ihr endgültiger Bestimmungsort darüber entscheidet, was aus ihnen wird. Heemskerk hofft, diese Arbeit mit ihrem erweiterten Modell fortsetzen zu können, um diese und weitere Fragen zur Entwicklung von Säugetieren zu beantworten. „Dies ist ein einfaches Modell, mit dem wir Dinge sehen können, die in einer komplexen 3D-Struktur sehr schwierig zu erkennen wären, das aber auch biologische Phänomene erfasst und uns gleichzeitig die Probleme erspart, die bei der Arbeit mit Embryonen auftreten.“