Ich musste lange überlegen, ob ich diese Geschichte tatsächlich erzählen will. Über die schönen Dinge des Lebens zu sprechen, fiel mir immer leicht, und vermutlich denken viele von euch, dass mein Leben ein offenes Buch ist. Doch die weniger schönen Sachen…über die zu sprechen, war immer eine Herausforderung.
Jene Dinge, die uns in die dunklen Winkel unserer Geschichte führen, über die spricht man nur ungerne. Mir persönlich fällt es schwer, weil ich damit andere Leute vielleicht in unangenehme Situationen bringen könnte. „Was, wenn sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen?“ „Was, wenn sie sich in meiner Nähe unwohl fühlen?“ „Nein…ich behalte es besser für mich.“
Aber das war mal – diese Zeit ist jetzt vorbei!!! Ich habe begriffen, dass es IMMER Leute geben wird, die sich unwohl fühlen, aber vielleicht gibt es da draußen eine Frau, einen Mann oder ein Paar, das sich dadurch besser verstanden fühlt – besser als ich damals. Und das ist es wert diese Geschichte zu erzählen,
Im Leben eines Menschen gibt es Momente, an die wir und so gut erinnern, als wären sie erst gestern geschehen. In meinem Fall ist das jener Moment, als mir gesagt wurde, dass ich keine Kinder bekommen könne. Naja, eigentlich wurde mir gesagt: „Sie haben einen seltenen Gendefekt und wenn Sie meine Tochter wären, und sie das Geld hätten, würde ich sofort zu einer IVF raten! Sonst würde ich raten, eine andere Herangehensweise bei der Familienplanung in Betracht zu ziehen“. Von der 45-minüten Heimfahrt von der Klinik habe ich keinerlei Erinnerung – ich muss wohl einen Schutzengel gehabt haben, dass ich irgendwie sicher nach Hause gelangt bin.
In meinen erst 28 Jahren auf dieser Welt hatte ich schon einiges zu verkraften. Den Tod eines Elternteils, die Suchtprobleme geliebter Menschen, Probleme mit gemeinen Mädchen und mehr Liebeskummer, als je ein Mensch erleben sollte. Aber nichts hat meine Welt so sehr erschüttert wie diese Worte aus dem Mund meines Arztes. Den Traum vom eigenen Kind aufgeben zu müssen, ist eine Art Schmerz, den man unmöglich mit Worten beschreiben kann. Es fühlte sich an, als hätte jemand mein ganzes Leben genommen, zusammengeknüllt und in den nächstbesten Mülleimer geworfen. Millionen von Gedanken rasten durch meinen Kopf „Wurde ich nicht genau dafür geboren?“ „Wäre ich etwa als Mutter nicht gut genug?“ „Werde ich für irgendetwas bestraft?“ „Könnte ich vielleicht einer dieser netten kinderlosen Damen werden, die stattdessen ein wunderschönes weißes Sofa haben?“ „Wie, ich? Wieso wir?“ „Wird mein Mann mich jetzt verlassen?“ Ein Teufelskreis an Gedanken, Fragen und Schuldzuweisungen.
Ihr könnt mir glauben, Frauen müssen sich oft so VERRÜCKT benehmen, da würden die meisten Männer schreiend davonlaufen, haha.
Von niemand sonst würde man erwarten, diese Menge an Schmerzen zu erleiden, und sie vor der ganzen Welt zu verstecken. Wir trauern um Verstorbene, wir kümmern uns um die Hinterbliebenen, wir starten Selbsthilfegruppen für Suchtkranke – aber Unfruchtbarkeit, das ist ein ganz anderes Kaliber, bei dem wir den Drang verspüren lieber still zu leiden. Sonst fühlt sich am Ende gar noch jemand unwohl.
Vielleicht leiden wir so still, weil die Reaktion auf unseren Schmerz noch mehr wehtun kann. Ich kann gar nicht sagen wie oft mir gesagt wurde, dass ich einfach ruhig bleiben muss. „BLEIB RUHIG, ES WIRD SCHON PASSIEREN“. “RUHIG, MEINST DU?” Wie wäre es denn, wenn ich dich von deinem Job entlassen würde, dein Haus rausrauben, und dann noch dein Auto ramponieren würde. „Bleib einfach ruhig“, wirkt dann plötzlich gar nicht mehr so sinnvoll. Aber all diese Dinge könnte man ersetzen. Das Kind, das ich nie haben werde, und um das ich trauere, KANN MAN ABER NICHT ERSETZEN!!! Also NEIN, ich werde nicht ruhig bleiben.
Wenn du das gerade liest, dann tu dir selbst einen Gefallen, und sei das Gegenteil von ruhig, SCHREI ES HERAUS, WIRF DEN POLSTER AN DIE WAND, BENUTZE EIN PAAR WORTE, DIE DEINE MUTTER BESSER NICHT HÖREN SOLLTE! HA,HA. Es stimmt aber wirklich, denn dieser Schmerz sitzt tief, und man kann das nur überstehen, wenn man ihn HINAUS LÄSST. Wenn man sagt, wir sollten ruhig bleiben, ist das verletzend, auch wenn ich natürlich weiß, dass es nett gemeint ist, und ich dankbar bin, dass man überhaupt etwas sagt. Aber es ist einfach nicht hilfreich und es ist im Grunde genommen auch nicht nett.
Wir sagen also nichts, auch weil wir eure Stimmung nicht trüben wollen. Wir machen uns Sorgen, dass wir demnächst nicht zur Babyparty eingeladen werden, oder zum ersten Geburtstag des kleinen Leon. Auch das ist nicht wirklich hilfreich. Ich verstehe die Logik dahinter, und es gab durchaus Tage an denen die Geburtstagsparty eines Kindes das Schlimmste für mich gewesen wäre, aber überlass diese Entscheidung bitte mir. Denn es gab auch unzählige Tage an denen die Kinder meiner Freunde und Familie alles waren, das ich noch hatte. Ich konnte in ihre Augen sehen und mir sagen „Ich gebe nicht auf, denn dieses Gesicht ist all die Mühen wert“.
Wenn ihr mir einen Gefallen tun wollt, dann macht folgendes: Lasst mich euer Kind ein bisschen länger umarmen, lasst es mich an die Hand nehmen wenn wir über die Straße gehen, lass mich diesen magischen Moment erleben wenn ein Kind sich ansieht und für die coolste Person aller Zeiten hält. Ich hatte das große Glück Familie und Freunde zu haben die es mir erlaubt haben ihre Kinder so richtig lieb zu haben. Ihr wisst bestimmt wer ihr seid und ich bin euch soooo dankbar, eure Kinder haben mich gerettet, und zwar so sehr, dass ich ihnen nie genug danken kann.
Eines von acht Paaren erlebt Probleme mit Unfruchtbarkeit. Das bedeutet, dass gerade jetzt jemand den du kannst damit ringt – also bitte seid so nett und fragt das frisch verheiratete Paar nicht, wann endlich die Kinder kommen. Fragt auch nicht das Paar, von dein ein Partner bereits Kinder hat, ob der neue Partner ein Problem hat. Erzählt euren Freunden auch nicht wie toll es war, dass ihr am Freitag erstmals versucht habt ein Baby zu bekommen und WUMMS am Montag gleich der positive Schwangerschaftstest da war. Aber sagt uns, wenn ihr schwanger seid – vertraut mir wenn ich sage, dass wir trotz des Schmerzes froh für euch sind. Und zeigt uns, wie sehr ihr eure Kinder liebt, denn das gibt uns die Kraft weiter zu kämpfen. Und macht es wie meine Freunde, umarmt mich täglich und feiert kräftig mit mir wenn es bei mir endlich so weit ist.
Unfruchtbarkeit ist ein langer und dunkler Weg, auf dem nicht nur viele finanzielle Belastungen, sondern auch Nadeln, noch mehr Nadeln, Ultraschalluntersuchungen und Arztbesuche lauern. Schlaflose Nächte mit Sorgen und Gebeten; Tränen und Momente, in denen es scheint, als würde alles gut werden. Niemand weiß, wie man um ein Kind trauen soll, das nie geboren wird, wie man den täglichen Kampf mit dieser Trauer übersteht. Ich kann nur sagen, dass man jeden Moment spürt – jene Momente, die einen in ein oft bodenloses Loch ziehen, und jene, die einen in höchste Höhen treiben. Ich kann nicht sagen, warum dir das passiert, ich weiß nur, dass du am Ende dieser Reise ein stärkerer und gefestigter Mensch sein wirst. Ich weiß das, weil der härteste Teil meiner Mutterschaft stattfand, als mein Kind noch gar nicht geboren war. In dir steckt ein Kämpfer, der stärker ist, als du es dir vorstellen kannst, ich habe Dinge geschafft, die ich mir nie zugetraut hätte. Mein Mann und meine Stieftochter sehen mich oft an, als ob ich eine Art Wonderwoman wäre…und verdammt, das bin ich ja auch irgendwie.
Ich bin eine von acht, ich bin werdende Mutter, eine IVF Kriegerin, eine Frau die ein “Nein” als Antwort nicht gelten lässt, umringt von tollen Frauen, einer sehr weisen Stieftochter, einem liebevollen Ehemann, starken Männern, einer wundervollen Familie und einem sehr talentierten Fruchtbarkeitsspezialisten. Und natürlich einer ganzen Armee von Schutzengeln!
Falls jemals der Moment kommt, und du im Arztzimmer sitzt, dann hoffe ich, dass du weißt, dass es ist okay ist, schwach zu sein. Es ist okay, Angst zu haben. Und vor allem ist es okay, Menschen an dich heran zu lassen. Erst dann wissen wir, auf wen wir wirklich zählen können. Am Ende der Reise wollen wir diese Personen neben uns stehen haben. Ich habe durch diesen Schmerz mich selbst und meine Gruppe gefunden, und ich habe auf diesem Weg auch so viel Schönes erlebt.
xox
Taylin