Forscher haben entdeckt, dass eine DNA-Modifikation namens 5-Formylcytosin (5fC) als aktivierender epigenetischer Schalter fungiert, der Gene in der frühen Embryonalentwicklung in Gang setzt. Diese Entdeckung zeigt, dass Wirbeltiere über mehr als eine Art epigenetischer DNA-Markierung verfügen, und wirft ein neues Licht auf die Regulation von Genen in den frühesten Entwicklungsstadien. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht.
5fC ist neben Methylcytosin erst die zweite nachgewiesene epigenetische DNA-Modifikation
Unser Körper besteht aus Billionen von Zellen, die alle zusammenarbeiten, um einen funktionierenden Organismus zu bilden. Dabei begann jeder von uns als einzelne befruchtete Eizelle. Um zu einem vollständigen Menschen zu werden, muss sich diese einzelne Zelle schnell vermehren und alle richtigen Organe an den richtigen Stellen bilden. Dieser Entwicklungsprozess hängt davon ab, dass Tausende von Genen genau zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort aktiviert werden. Die Aktivierung/Deaktivierung von Genen wird durch sogenannte epigenetische Modifikationen gesteuert, d. h. chemische Gruppen, die an die DNA und die damit verbundenen Proteine gebunden sind und wie Ampeln die Gene ein- oder ausschalten.
Jahrzehntelang glaubten Wissenschaftler, dass Wirbeltiere nur eine Art epigenetischer Modifikation der DNA besitzen, die sogenannte Cytosine-Methylierung, die mit der Genstilllegung in Verbindung gebracht wird. Vor zehn Jahren wurden drei weitere chemische Modifikationen in der DNA von Wirbeltieren entdeckt, doch da sie nur in sehr geringen Mengen vorkamen, waren sich die Wissenschaftler nicht sicher, ob es sich dabei um funktionelle epigenetische Markierungen handelt. Professor Christof Niehrs und sein Team haben erstmals gezeigt, dass eine dieser Modifikationen, 5-Formylcytosin, an der Aktivierung von Genen in der frühen Entwicklung beteiligt ist. Die Entdeckung ist bedeutend, da sie beweist, dass Wirbeltiere über mehr als eine Art epigenetischer DNA-Markierung verfügen, und einen neuen, bisher unbekannten Mechanismus der epigenetischen Genregulation aufdeckt. In der Entwicklung
5fC spielt eine wichtige Rolle in der frühen Embryonalentwicklung
„Diese Ergebnisse sind ein echter Durchbruch in der Epigenetik, da 5fC neben Methylcytosin erst die zweite nachgewiesene epigenetische DNA-Modifikation ist“, sagt Niehrs, Gründer und wissenschaftlicher Direktor des IMB, das 2011 auf dem Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) eröffnet wurde. In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler 5fC in Froschembryonen. Mit Hilfe von Mikroskopie und Chromatographie entdeckten sie, dass 5fC zu Beginn der Entwicklung während eines entscheidenden Schritts, der sogenannten zygotischen Aktivierung, bei der viele Gene eingeschaltet werden, dramatisch ansteigt. Eleftheria Parasyraki, Erstautorin der Studie, erklärt: „Die Beobachtung von 5fC in mikroskopisch sichtbaren winzigen Punkten, den Chromozentren, war spannend. Aufgrund dieser Beobachtung vermuteten wir, dass 5fC eine wichtige Rolle in der frühen Embryonalentwicklung spielen muss.“
Um zu beweisen, dass 5fC eine aktivierende epigenetische Markierung ist, manipulierten die Wissenschaftler Enzyme im Embryo genetisch, um die Menge an 5fC auf der DNA zu erhöhen oder zu verringern. Eine Erhöhung von 5fC führte zu einer erhöhten Genexpression, während eine Verringerung von 5fC die Genexpression reduzierte, was darauf hindeutet, dass tatsächlich das Vorhandensein von 5fC auf der DNA die Gene aktiviert. Schließlich beobachteten die Wissenschaftler auch 5fC-Chromozentren in Mausembryonen während der zygotischen Genaktivierung.
Dies deutet darauf hin, dass 5fC wahrscheinlich sowohl bei Säugetieren als auch bei Fröschen als aktivierende epigenetische Markierung fungiert. Die Entdeckung, dass 5fC ein aktivierender epigenetischer Regulator auf der DNA ist, wirft viele Fragen darüber auf, wie genau es wirkt und welche Rolle es über die frühe zygotische Genomaktivierung hinaus spielt. Insbesondere Krebszellen können sehr hohe Mengen an 5fC aufweisen. Um diese Fragen zu beantworten, sind weitere Untersuchungen zu 5fC erforderlich, die uns letztendlich helfen könnten, besser zu verstehen, wie wir uns entwickeln und wie die Genregulation bei Krankheiten gestört ist.